Dalibor Truhlar 1998

Aus dem Katalog anlässlich der Ausstellung im Künstlerhaus 1978 , Dolf Lindner

Text zur Eröffnungsrede der Ausstellung " ART  &  HIGH TECH " von  Prof. Ernst Fuchs

Eröffnungsrede der Ausstellung "ART  &  HIGH TECH " von Prof. Dr. Irenäus Eibl Eibesfeldt

Vorwort im Katalog der Ausstellung " Gegenständliche  Malerie aus Wien " , München  von Arik Brauer
 


Adam und Eva 1987 Öl und Tempera Mischtechnik
Frage: Was machen zwei nackte Vogelmenschen, die in schüchterner Ratlosigkeit am Fuße eines Berges stehend in ein Tal blicken, wo sich der Weg teilt und in der feinen Unendlichkeit eines gelben Horizontes verirrt? Antwort: Sie denken darüber nach, welche Bestimmung ihnen ihr Schöpfer zugedacht hat. Sein Name ist Luigi La Speranza. Er wurde 1962 in Wien geboren, hatte mit acht Jahren seine erste Ausstellung, mit elf hingen seine Bilder im Künstlerhaus. Dann studierte er bei Prof. Rudolf Hausner und machte 1985 sein Diplom. Bis 1987 malte er in der Meisterklasse bei Prof. Arik Brauer. Es folgten zahlreiche Gruppen- und Einzelausstellungen. Seit 1993 arbeitet er in seiner eigenen Atelier-Galerie in der Siebensterngasse im 7. Wiener Bezirk, wo er seine Bilder gleichzeitig ausstellt. Er malt Menschen und Tiere, die in jedem Bild eine neue physische Symbiose eingehen, als hätte die Natur neu gewürfelt. Es sind Landschaften, die am Hintergrund leise vorbeiziehend durch ihre realistische Darstellung der gemalten Welt ein wenig von jener Wirklichkeit zurückgeben, die die Originalität der Poesie ansonsten für sich in Anspruch nimmt. Seine Phantasiewelten sind voller Farbe; die ungewöhnliche Tiefe kokettiert mit verspielter Symbolik und gewährt von Zeit zu Zeit Einblick in andere Dimensionen. Dank seiner frühen Begabung konnte er den Vorsprung nutzen und das Stadium der Neuerungssucht um jeden Preis und die handwerkliche Routine hinter sich lassen, um jene Dimension der Reife für sich zu entdecken, die aus einem Bild ein Kunstwerk macht. Altmeisterliche Technik und Liebe zum Detail dominieren in der malerischen Komplexität der in seinen Bildern dargestellten Handlungen, Szenen, die voll bizarrer Wesen sind - Vogelmenschen inmitten von Landschaften, die ihre tiefe Ewigkeit gefunden haben.    Frage: Was macht Luigi La Speranza, der in seinem Ausstellungs- und Arbeitsatelier den einzigen ihm möglichen Weg geht? Antwort: Er malt. 

Dalibor Truhlar 1998

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Aus dem Katalog anlässlich der Ausstellung im Künstlerhaus 1978

In welch eine wundersame, oft sogar erschreckende Welt schaut dieser Jüngling Luigi? Ich weiß, daß er zu nächtlicher Stunde mit seinem Fernrohr von der Dachterrasse auf den Mond und in die Sterne schaut. Ich weiß, daß er sich mit dem ,Agyptischen Totenbuch', der Edda und dem Leben Gallileis befaßt. Ich weiß, daß er die Bilder des Hieronymus Bosch und den frühen Kubin liebt. Dennoch: kein Aha-Effekt !
    Dieser Luigi La Speranza (in mancher Beziehung: "die Hoffnung"), Jahrgang 1962, Geburtsort Wien. Wie der Name vermuten läßt, ein echter Wiener, mit italienischem Einschlag. Mit sieben Jahren nimmt er seine Filzstifte und beginnt farbig zu zeichnen. Er beginnt tatsächlich: in einer Ecke des Blattes ein Wesen (?) eine Figur, eine Fantasiegestalt - und plötzlich drängen sich neue, mehr und immer mehr hinzu, wie die Teile eines skurilen Puzzlespiels, und zuletzt bedecken sie das ganze Blatt. Bestimmt: sie quellen über dessen Rand und werden auf einem neuen wieder eingefangen. Heute bevölkern sie schon viele Zeichenblatter, ja sogar eine Tischplatte im Wohnzimmer. Ihre materialbedingte Buntheit läßt sie im ersten Anblick vielleicht nicht ganz so schrecklich erscheinen; aber haben sie nicht alle etwas von der ,abgezogenen Haut des Apostels Bartholomäus' auf dem Jüngsten Gericht von Michelangelo?
    Bisher war alles Phantasie was da kreucht und fleucht, was da vegetativ sich aufschlingt. Die Hand des Knaben - fast scheue ich mich es hinzuschreiben - wird beinahe zwanghaft geführt. Aber diese ,geheimnisvolle Kraft' ist stark genug, den schulischen Zeichenunterrichtserfordernissen (wenn auch noch so verständnisvoll gehandhabt!) zu widerstehen. Luigi kann natürlich auch ,anders'. (Wie ein Bild dieser Ausstellung beweist.) Aber während andere Kinder ihre Ursprünglichkeit, ihre Unbekümmertheit im Ausdruck verlieren und unter dem Erwachseneneinfluß ,nach der Natur' zeichnen, bleibt Luigis ,Stil' unbeeinflußt. Er gewinnt von Blatt zu Blatt, seine angeborenen handwerklichen Fähigkeiten festigen sich an der fleißigen Arbeit. Und plötzlich findet er - wie sein bisher letztes großes Blatt beweist - in einem literarischen Werk, der EDDA, einen geschriebenen Vorwurf, den er mit seiner Phantasiewelt als in Einklang empfindet: er ,illustriert' den Götter-Untergang "Ragnarök"! Diese unheimliche nordische Mythenwelt, die unserer Mentalität eher fremd ist, fasziniert ihn. Es gelingt ihm die Midgardschlange und den Fenriswolf die Riesen und Joten, Loki und Heimdall, das ganze göttliche Inferno jener Stunde darzustellen, "da der Wolf die Sonne verschlingt".
    Wem es gelungen ist, all das auf dem großen Blatt aufzufinden, der möge noch einmal einen Blick auf die früheren Arbeiten Luigis werfen, um zu erkennen, daß die Kontiuität besteht, daß der nun Sechzehnjährige Vorlage und Phantasie in bewundernswerten Einklang zu bringen versteht. Und dann würde ich den Betrachter noch einmal vor ,Ragnarök' bitten, um da das überlebende Menschenpaar, Liv und Livtrasi, umschlungen im Inneren des Weltenbaumes, zu suchen! Man bedenke: als Autodidakt ein solches Register an Szenen auf einem Bild zu vereinen, die Gestalten handwerklich so gekonnt zu zeichnen und über allem die eigene Phantasie walten zu lassen:

das ist wirklich eine Hoffnung.

Dolf Lindner 

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Eröffnungsrede von  Prof. Ernst Fuchs
 (26.April .2001 zur Eröffnung der Ausstellung "ART &  HIGH TECH"  Vienna  Art Center (Kellergewölbe im Schottenstift)
 

           Die Tiefe ist oben

           Irgendwelcher dahergelaufener Moden wegen wurden sie immer für passee erklärt. Denn es ist so Usus, dass nur ein
           Ismus die Medienlandschaft beherrschen darf. Pluralität ist - wenn es um die Bildende Kunst geht - nicht angesagt.
           Entweder informell oder gar nichts - Installationen ist in, etc. 

           Die Symbolisten mussten den Impressionisten weichen - obwohl es sie weiterhin im Untergrund gab. Die Surrealisten
           - detto, da die Abstraktion mit Actionpainting angesagt war. So ist die fantastische Kunst eine immer präsente
           Untergrundkunst geblieben, deren Anhänger und Proponenten sich in dieser Auswahl präsentieren. Sie stellen ihre
           Werke im Untergrund vor, in den Katakomben, die schon vor drei Jahren für das Projekt im Palais Coburg als
           internationales Phantastisches Museum gedacht waren. Leider ist dieser Plan nicht realisiert worden. Dadurch nimmt
           diese Ausstellung also die Form einer signalartigen Botschaft an.

           Die Tiefe, der Himmel der Bilder ist oben in den Katakomben. 

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Eröffnungsrede von Prof. Dr. Irenäus Eibl Eibesfeldt 
(26.April .2001 zur Eröffnung der Ausstellung "ART &  HIGH TECH"  Vienna  Art Center (Kellergewölbe im Schottenstift)
 

           Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit!
           von Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Andechs

           Ein verpflichtender Sinnspruch, den sich die Wiener Sezession erkor. Ihr heiliger Frühling, ver sacrum, richtete sich
           nicht wie in anderen Ländern gegen eine konservative Traditionskunst. Die Wiener Sezessionisten wollten vielmehr
           eine echte Kunst gegen eine billige, dem Publikumsgeschmack entgegenkommende Schönmalerei absetzen, wie sie
           nach ihrer Meinung besonders in Wien populär war, wollte man von Hans Makart und Anton Romako absehen, die
           ihrer Meinung zufolge beides zu verbinden wussten. Nein, meinten sie, bei uns wird nicht für oder gegen eine
           Tradition gestritten, wir haben ja keine! Nun, Ferdinand Georg Waldmüller schätzen wir heute durchaus und auch die
           Blumenmaler des Biedermeier wie Franz-Xaver Petter, die Miniaturen Moritz-Michael Daffingers und noch vieles
           andere, was dem Wiener Kulturboden entspross. Was echte Kunst ist, entscheidet sich im Siebungsprozess der
           Zeit, und die Freiheit zur Entfaltung in den verschiedensten Richtungen muss gegeben sein.

           Wie dem auch sei, die Intentionen der Sezession waren und bleiben edelstes Leitmotiv, das es gerade heute zu
           beherzigen gilt, scheint doch der Destruktivismus der Avantgarde in den letzten Jahrzehnten mit dem Beuys'schen
           Schlachtruf "alles ist Kunst und jeder ist Künstler" selbst in die Wiener Akademie der schönen Künste eingedrungen
           zu sein. 

           Zum Glück fand diese Entwicklung in Wien erst relativ spät statt. Albert Paris Gütersloh war noch ein der Kunst
           verpflichteter akademischer Lehrer und die Wiener Schule des phantastischen Realismus bleibt uns wohl als
           dauerndes Zeugnis der hohen künstlerischen Begabung ihrer Vertreter, während die Entsorgung des Gerümpels, das
           als Installationen heute raumvergeudend die Museen füllt, den Kustoden wohl einiges Kopfzerbrechen bereiten wird. 

           Kunst ist eine Form der Kommunikation. Sie appelliert an unsere Sinne in einer Weise, die über das Sachliche hinaus
           das Gemüt anspricht. Sie dient dabei den verschiedensten Aufgaben wie der Bekräftigung von Werten einer
           Gemeinschaft, der Bewußtmachung von Problemen und damit der Mahnung zur Besinnlichkeit und nicht zuletzt der
           Erfüllung ästhetischer Bedürfnisse, indem sie uns erfreut und ästhetischen Genuss vermittelt. 

           Dazu ist die gegenständliche Malkunst in besonderer Weise geignet, da sie differenzierter ist. Sie bildet ja nicht ab,
           sondern hebt hervor und abstrahiert und macht so sichtbar, was dem normalen Betrachter dieser Welt entgeht. Wie
           etwa, dass zwischen den vielbetretenen Pflastersteinen der Straßen Leben grünt. Oder - unübertroffen - in den
           Frauenportraits von Klimt. Welche Würde und Koketterie in der Haltung, in der Sprache der Augen, verschleiert,
           lockend, geheimnisvoll. Klimts Gemälde sind Huldigungen an die Frau, sehr zum Unterschied von vielen der späteren
           Bilder Picassos, aus denen Verachtung und brutale männliche Dominanz spricht! Der Künster mach sichtbar, was wir
           allzu leicht übersehen, er schafft bildnerisch, bildet schöpferisch und der Bildung bedarf es heute mehr denn je,
           denn wir verlieren in einer Phase der Bevölkerungsexplosion bei zunehmender Ressourcenverknappung, verstärkt
           durch die Attacken des neuen Destruktivismus gegen die traditionellen Werte, das Gefühl für das Naturschöne und
           damit auch den Wunsch das zu bewahren, von dem wir letzten Endes abhängen: eine lebensbejahende Umwelt - die
           soziale Umwelt inbegriffen. 

           Die Natur, das sind ja nicht nur die Landschaften mit ihren Tieren und Blumen. Zu ihr gehört auch der Mensch in
           seiner Körperlichkeit und in der sich in ihr spiegelden Spiritualität. Darf der Künstler heute nicht mehr die
           Menschennatur im Gemälde auf eine ästhetisch ansprechende Weise hinterfragen? Dürfen wir uns nicht mehr mit
           dem mechschlichen Anlitz beschäftigen, das jung, froh und fragend in die Welt blickt und in dessen Falten und
           Fältchen wir später von einem gelebten Leben lesen, von vergnügten Stunden, von seelischem und körperlichem
           Schmerz, von Zorn und Angst, von besinnlichen Stunden und dem Streben nach Abenteuer und Erfog? Das
           proteische Wesen Mensch in seiner Anmut wie in seiner Würde bleibt für den Künsteler wie den Forscher Subjekt
           unerschöpflicher Betrachtungen. 

           Was wollte eigentlich die Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts und was will sie heute? Richard Hartmann
           stellte einige Zitate aus frühen Manifesten zusammen. Sie klingen recht radikal: 

                "Die Zentren unserer alten Städte mit ihren Kirchen und Kathedralen müssen zerschlagen und durch
                Wolkenkratzer ersetzt werden."
                (Le Corbusier: Funktionalismus um 1922)

                "Zuerst werden wir die Zivilisation zerstören, die Euch teuer ist."

                "Alle Mittel müssen angewendet werden, um die Idee von Familie, Vaterland und Religion zu
                zerstören."

                "Die echte surrealistische Tat besteht darin, auf die Straße zu gehen und blind in die Menge zu
                schießen"
                (Nadeau, Aragon, Breton: Surrealismus um 1926)

                "Das Geräusch einer Maschine wird dem Menschen sympathischer sein als der Gesang von Vogel und
                Mensch."
                (Mondrian: De Stijl 1926) 

           Die Zitate spiegeln Zeitströmungen, die wie ein roter Faden die Aussagen der Künstler durchziehen. Es handelt sich
           um nicht gerade friedensfördernde Äußerungen, denn Provokationen dieser Art fordern jene kämpferisch heraus, die
           ihre Werte zu verteidigen suchen. Anarchistischer Radikalismus gebiert Radikalismus, wie wir aus der Geschichte
           wissen. Das gilt auch für die Kunstgeschichte. Haben wir aus ihr gelernt? 

           Offensichtlich nicht. Wir sehen uns mit Provokation an allen kulturellen Fronten konfrontiert, in der Bildenden Kunst
           ebenbso wie im Theater - ja in praktisch allen gesellschaftlichen Traditionen - und die Ausdrucksformen wurden
           zunehmend brutaler. Man denke an die Frauen und Leben verachtenden sexualsadistischen Blutorgienmysterien
           eines Hermann Nitsch. 

           Nun hat es auch in früheren Zeiten Brutalität gegeben, man denke an die öffentlichen Hinrichtungen, die zum
           Schauspiel wurden, aber hatten wir das nicht als überwunden geglaubt? Wie kann dergleichen mit staatlicher
           Subvention wiederkehren? Man frägt sich, was den neuen Destruktivismus beseelt, Zerstörung um neu aufzubauen?
           Von konstruktivem Neubeginn merken wir eigentlich wenig. Ich zweifle daher an einer Möglichkeit, die destruktiven
           Strömungen postitiv zu interpretieren. Aber selbst wenn die Intention als Vorbereitung zu neuem Beginn gemeint
           wäre, müsste man doch zur Kenntnis nehmen, dass Kulturwandel in der Regel in Schritten erfolgte. Grundsätzlich ist
           es höchst unwahrscheinlich, dass von einer Generation auf die andere alle kulturellen Traditionen ihren Beitrag zur
           Überlebenstüchtigkeit einer Gemeinschaft nicht mehr leisten. 

           Das biologische Weltbild ist ein überaus dynamisches. Wir wissen um den Artenwandel, aber wir wissen auch, dass
           ein Zuviel an Mutationen pro Generation gefährlich werden kann. Im Kulturellen gilt dies für einen Kulturwandel, und
           zwar dann, wenn er zu einem Traditionsabriss führt. Dies sollten wir in einer Zeit beherzigen, in der wir ohnedies
           durch den Erfolg der Naturwissenschaften und der aus ihr stammenden technischen Zivilisation unentwegt zur
           Neuanpassung herausgefordert werden. Wir leben in einer Streitkultur mit zunehmend rücksichtloserem Wettbewerb.
           Wir müssen ihn zivilisieren. Wir brauchen den inneren Frieden, um den äußeren herbeizuführen. Wir brauchen zur
           Zukunftssicherung auch den "Frieden mit der Natur", um Friedensreich Hundertwasser zu zitieren. Zur
           Bewusstmachung dieser Notwendigkeiten kann die Kunst Entscheidendes beitragen, auch indem sie sich der
           Vermittlung des Schönen widmet, das zur Zeit aus den Schönen Künsten verdrängt und oft durch ausgesprochen
           Hässliches ersetzt wird. Schönes macht froh, es beglückt und stimmt freundlich-kommunikationsbereit. Hässliches
           dagegen erweckt unfreundliche Gefühle, ja solche des Hasses. Die Begriffsfelder gut und schön decken sich in vielen
           Sprachen. Schön als gut ist ein wichtiger Gegenspieler des Hasses: Lena Brauers Zigeunerhexe ist und stimmt
           fröhlich! Darf das nicht mehr sein? Darf man nicht mehr farbenfrohe, lebensvolle Bilder malen? 

           In seinem großartigen Werk über die österreichische Aquarellmalerei 1750 bis 1900 nimmt Walter Koschatzky zur
           Frage der Naturmalerei Stellung. Mit der Aufklärung, schreibt er, durchzieht Natur das neue Denken nun in allem und
           jedem, Moral, Recht, Religion, Ästhetik, Politik: Man spricht von natürlicher Weisheit, von der Mutter Natur, setzt
           bald Gott und Natur wie im Pantheismus überhaupt identisch, meint aber zugleich den frei und ungehemmt
           wachsenden Park, den englischen gegenüber dem gestutzten künstlichen französischen.... Man könnte sagen, dass
           all dem ein Begriff der Natur zugrunde liegt: Natur ist das Ganze, das gesetzmäßig aus "innerer Freiheit" besteht.
           Und diese Freiheit hat man gesucht. (Kolschatzky S. 23, 1987) 

           Naturlandschaft steht also für das Reine, vom Menschen Unberührte, frei Gewachsene. Das bedeutet nach
           Kolschatzky zugleich, dass das ästhetische Erlebnis des Naturanblicks, des Schönen also und dessen Abbild im
           Kunstwerk "gleichzeitig auch eine Erziehung, sogar Erhebung zum Guten ist." Der Künstler wird damit zu einer
           moralischen Instanz, indem er der Erziehung zum Geschmack (= dem Schönen= dem Guten) dient. Das
           Verschwinden der geschaffenen gegenständlichen Welt aus der Kunst, der Rückzug auf gedankliche abstrakte
           Subjektivismen birgt die Gefahr, daß immer mehr Verbindlichkeiten, auf die man sich einigen könnte, zugrunde
           gehen. Über die hier ausgestellten Bilder kann man sich gemeinsam Gedanken machen, weil sie alle betreffen, mit
           den Werken der Avantgarde sinkt jeder jedoch in seine eigene Welt zurück. 
 
 

          (Nadeau, Aragon, Breton:
          Surrealismus um 1926)

           "Das Geräusch einer Maschine wird dem Menschen sympathischer sein als der Gesang von Vogel und
           Mensch."
           (Mondrian: De Stijl 1826)

           Nach Hartmann spiegeln die Zitate Zeitströmungen, die wie ein roter Faden die Aussagen der Künstler durchziehen.
           Es handelt sich um nicht gerade friedensfördernde Äußerungen, denn Provokationen dieser Art fordern jene
           kämpferisch heraus, die ihre Werte zu verteidigen suchen. Anarchistischer Radikalismus gebiert Radikalismus, wie wir
           aus der Geschichte wissen. Das gilt auch für die Kunstgeschichte. Haben wir aus ihr gelernt? Sicher nicht, die
           destruktive Absicht ist wohl geblieben und in manchem noch brutaler, wenn ich an die Frauen und das Leben
           verachtenden Blutogienrituale eines Hermann Nitsch denke. Was hat das wohl für Folgen, wenn sensible Personen
           dazu ermuntert werden, in den warmen Eingeweiden frisch geschlachteter Tiere zu wühlen? Ich erinnere an Jürgen
           Bartsch, jenen unglücklichen jungen Mann, der seine sexuelle Befriedigung nur beim Wühlen in den noch warmen
           Eingeweiden, allerdings nicht jener von Tieren, fand. Für solche Blutorgienmysterien werden Professorentitel
           verliehen. Sind wir von Sinnen? 

           Es gibt wohl, wie Christa Sütterlin in einem bemerkenswerten Vortrag ausführte "Grenzen der Beliebigkeit". 

           Kunst ist eine Form der Kommunikation. Sie appelliert an unsere Sinne in einer Weise, die über das Sachliche hinaus
           das Gemüt anspricht. Sie dient dabei den verschiedensten Aufgaben wie der Bekräftigung von Werten einer
           Gemeinschaft, der Bewußtmachung von Problemen und damit der Mahnung zur Besinnlichkeit und nicht zuletzt der
           Erfüllung ästhetischer Bedürfnisse, indem sie uns erfreut und ästhetischen Genuss vermittelt. 

           Dazu ist die gegenständliche Malkunst in besonderer Weise geeignet, da sie differenzierter ist. Sie bildet ja nicht ab,
           sondern hebt hervor und abstrahiert und macht so sichtbar, was dem normalen Betrachter dieser Welt entgeht. Wie
           etwa, dass zwischen den vielbetretenen Pflastersteinen der Straßen Leben grünt. Oder – unübertroffen – in den
           Frauenportraits von Klimt. Welche Würde und Koketterie in der Haltung, in der Sprache der Augen, verschleiert,
           lockend, geheimnisvoll. Klimts Gemälde sind Huldigungen an die Frau, sehr zum Unterschied von vielen der späteren
           Bilder Picassos, aus denen Verachtung und brutale männliche Dominanz spricht! 
           Der Künstler macht sichtbar, was wir allzu leicht übersehen, erschafft bildnerisch, bildet schöpferisch und der
           Bildung bedarf es heute mehr denn je, denn wir verlieren in einer Phase der Bevölkerungsexplosion bei zunehmender
           Ressourcenverknappung, verstärkt durch die Attacken des neuen Destruktivismus, gegen die traditionellen Werte,
           das Gefühl für das Naturschöne und damit auch den Wunsch das zu bewahren, von dem wir letzten Endes
           abhängen: eine gesunde Lebensgemeinschaft. 

           Durch eine lange Stammesgeschichte sind wir, wie alle Organismen, auf den Wettlauf im Jetzt programmiert. Wir
           sind dafür mit einem triebhaften Dominanzstreben ausgestattet, das sich als Aggression in den verschiedensten
           Manifestationen des Konkurrenzverhaltens offenbart. Wir sind exploitativ veranlagt und streben nach
           opportunistischer, maximaler Ausschöpfung jeder sich bietender Chance. Wir sind auf Kurzzeitdenken fixiert,
           obgleich wir als erste Wesen Handlungsfolgen über längere Zeit im voraus einzuschätzen vermögen und damit ein
           Überlebensethos entwickeln könnten, das die Zukunftssicherung unserer Kindeskinder im Auge behält. Wir sind die
           ersten, die das können und damit auch die ersten, die von der Evolution in die Selbstverantwortung entlassen
           wurden. 

           Man frägt sich, was den neuen Destruktivismus beseelt. Kulturwandel hat es immer gegeben, aber er erfolgte in
           Schritten von Generation zu Generation und nicht in Rückschritten auf primitivere Darstellungen. Erst im 20.
           Jahrhundert stellte man alle Werte und Formen gesellschaftlichen Zusammenlebens radikal in Frage und dort, wo
           man die Thesen in die Tat umsetzte, wie in der gegen die Familie gerichteten Politik der Revolutionsphase des
           russischen Kommunismus, mußte man schnell korrigieren. 
           Grundsätzlich ist es höchst unwahrscheinlich, dass von einer Generation auf die andere alle kulturellen Traditionen
           ihren Beitrag zur Überlebenstüchtigkeit einer Gemeinschaft nicht mehr leisten. 

           Das biologische Weltbild ist ein überaus dynamisches. Wir wissen um den Artenwandel, aber wir wissen auch, dass
           ein Zuviel an Mutationen pro Generation gefährlich werden kann. Im Kulturellen gilt dies für einen Kulturwandel, der
           zu einem Traditionsabriss führt. Dies sollten wir in einer Zeit beherzigen, in der wir ohnedies durch den Erfolg der
           Naturwissenschaften und der aus ihr stammenden technischen Zivilisation unentwegt zur Neuanpassung
           herausgefordert werden. Wir leben in einer Streitkultur mit zunehmend rücksichtloserem Wettbewerb. Wir müssen
           ihn zivilisieren. Wir brauchen den inneren Frieden, um den äußeren herbeizuführen. Wir brauchen zur
           Zukunftssicherung auch den "Frieden mit der Natur", um Friedensreich Hundertwasser zu zitieren. Zur
           Bewusstmachung dieser Notwendigkeiten kann die Kunst Entscheidendes beitragen, auch indem sie sich der
           Vermittlung des Schönen widmet, das zur Zeit aus den Schönen Künsten verdrängt und oft durch ausgesprochen
           Hässliches ersetzt wird. Schönes macht froh, es beglückt und stimmt freundlich-kommunikationsbereit (Christas
           Arbeit zitieren). Hässliches dagegen erweckt unfreundliche Gefühle, ja solche des Hasses. 

           Die Begriffsfelder gut und schön decken sich in vielen Sprachen. Schön als gut ist ein wichtiger Gegenspieler des
           Hasses: Lena Brauers Zigeunerhexe ist und stimmt fröhlich! Darf das nicht mehr sein? Darf man nicht mehr
           farbenfrohe, lebensvolle Bilder intakter Natur malen? Gewiss, so fröhlich, wie manche sie sehen, ist sie nicht. Sie ist
           auch erfüllt von Dramen im Kampf des Lebens mit den Naturgewalten und mit sich selbst, dem Rivalen als Feind.
           Unwetter erstreben ja keinen Sieg, sehr wohl aber Rivale. Jeder Spaziergang durch den frühlinglichen Wald lehrt uns
           dies. Von der Not der Verlierer zeugen die unzähligen Buchen- und Fichtenkeimlinge, die dicht gedrängt und meist
           vergeblich dem vom Blätterdach abgeschirmten Licht zudrängen und einander zu überwuchern trachten. Die meisten
           von uns sehen allerdings nur, dass der Boden fruchtbar ist und der Lebensraum auch uns damit gute
           Überlebenschancen eröffnet. Das hat uns eine ästhetische Präferenz für pflanzliches Grün angezüchtet – eine
           Phytophilie. Wir Städter entsprechen diesem Bedürfnis, indem wir mit Topfpflanzen als Ersatz-Indikatoren
           fruchtbarer Landschaft unsere Wohnungen dekorieren oder auch mit Bildern, die als Ersatznatur den Ausdruck der
           Lebensfülle noch zu steigern vermögen. 

           In seinem großartigen Werk über die österreichische Aquarellmalerei 1750 bis 1900 nimmt Walter Koschatzky zur
           Frage der Naturmalerei Stellung. Mit der Aufklärung , schreibt er, durchzieht Natur das neue Denken nun in allem
           und jedem, Moral, Recht, Religion, Ästhetik, Politik: Man spricht von natürlicher Weisheit, von der Mutter Natur,
           setzt bald Gott und Natur wie im Pantheismus überhaupt identisch, meint aber zugleich den frei und ungehemmt
           wachsenden Park, den englischen gegenüber dem gestutzten künstlichen französischen.... Man könnte sagen, dass
           all dem ein Begriff der Natur zugrunde liegt:
           Natur ist das Ganze, das gesetzmäßig aus "innerer Freiheit" besteht. Und diese Freiheit hat man gesucht.
           (Kolschatzky S. 23, 1987) Naturlandschaft steht also für das Reine, vom Menschen Unberührte, frei Gewachsene.
           Das bedeutet nach Kolschatzky zugleich, dass das ästhetische Erlebnis des Naturanblicks, des Schönen also und
           dessen Abbild im Kunstwerk "gleichzeitig auch eine Erziehung, sogar Erhebung zum Guten ist." Der Künstler
           wird damit zu einer moralischen Instanz, indem er der Erziehung zum Geschmack (= dem Schönen= dem Guten)
           dient. 

           Die Malkunst hat viele Facetten und jede Ausstellung kann nur einige wenige vorstellen. Diese Ausstellung dient vor
           allem dem Anliegen, sich am Naturschönen zu erfreuen und damit auch Naturliebe als eine der gefährdeten
           Werthaltungen zu bekräftigen. Ich wünsche ihr von Herzen Erfolg. 

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Vorwort von Arik Brauer
(20. April bis 18. Oktober 2001 Vorwort im Katalog der Ausstellung "Gegenständliche  Malerie aus Wien"
in  der Passinger Fabrik, Kultur und Bürgerzentrum der Landeshauptstadt München)

 Gegenständlich 

 Hätte die Menschheit in den vergangenen Jahrtausenden immer ausschließlich abstrakt gemalt, und würde eben jetzt die figurative Malerei erfunden werden - man würde dies als einen kulturellen Quantensprung, als einen gewaltigen Schritt in Richtung Mensch- werdung empfinden. Mit Recht! So wie ein Kleinkind es als Fortschritt zu Komplexerem, Interessanterem erlebt, wenn aus dem “Krixelkraxel” plötzlich das Kürzel eines Strichmännchens  auftaucht. Die figurative Malerei ist keine Langzeitmode, die kommt und wieder verschwindet, wenn die Fotografie und der Computer erfunden werden, vielmehr handelt es sich dabei offensichtlich um ein angeborenes Potential, ähnlich der Fähigkeit  zu sprechen, um eine Begabung, die sich in keinem anderen Medium entfalten kann. Unbeachtet von dem etablierten Kulturmanagment existierten und existieren jenseits der Euphorie der Avantgarde weltweit zahllose Künstler, die sich nach wie vor figurativ ausdrücken. Es sind diese Künstler, die die Malerei ins kommende Jahrtausend hinüberretten. 
Es gibt in Wien eine vitale Szene hochbegabter junger Künstler, die im scharfen Gegenwind der etablierten Avantgarde eine bedeutungsvolle kulturelle Leistung erbringen. Ich bin sicher, dass die Zukunft für diese Menschen eine Chance bereithält. 

Arik Brauer 
 

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