KURIER
1971
KURT KAHL

 

Der Künstler bittet zu Tisch
 


Eigentlich müßte man die Tischplatte, die der neunjährige Luigi 
La Speranza, ein aufgeweckter Wiener Bub, bemalt hat, an die Wand hängen. Denn das Resultat monatelanger Bemühung verrät mehr als dekorative Buntheit.
   Wäre der kleine Luigi nicht ein ganz normaler Lausbub, der am liebsten mit dem Collie der Familie und seinem Goldhamster Petzi spielt, müßte man ihn wohl ein Wunderkind nennen Sein Talent wurde entdeckt, als ihm der Osterhase vor drei Jahren bunte Filzstifte brachte.
   Die Bilder, die er daraufhin in rascher Folge zeichnete und malte, offenbarten eine skurrile Traumwelt: als bevölkerten grellfarbige Marsmenschen Papier und Leinwand. Der Bub, der nie ein Museum betreten hatte, machte - ahnungslos - Malern wie Miro und Klee Konkurrenz. Die Wiener Schule des phantastischen Realismus hatte unverhofft Zuzug aus Italien erhalten. Einer ihrer Meister, Ernst Fuchs, anerkannte staunend das Nachwuchstalent.
   Eine Ausstellung in Wien machte das Publikum auf den malenden Buben aufmerksam. Für seine Mutter begann Luigi - angeregt durch einen Artikel über Erich Brauer in der KURIER-Beilage im vorigen Herbst einen Tisch zu bemalen. Die Tischplatte gewährt Einbtick in die phantastische Welt des Luigi La Speranza. Wer an diesem Tisch die Jause ißt, hält sein Häferl in der Hand.

 

Kein Tisch für die Jause ( Bild )
Luigi an der Arbeit: Traumgeschöpfe drängen auf den Tisch ( Bild )
 

TEXT: KURT KAHL PHOTOS: FRED RIEDMANN


 



 
 

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